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Der Weg…

Es sind oftmals die kleinen Dinge im Leben, die den großen Unterschied ausmachen.

Diese Geschichte erzählt von den Streunerkatzen in der kleinen Ansiedlung Agios Pavlos an Kretas wild-schöner Südküste. Es waren viele kleine Dinge und Begegnungen, die in der Summe innerhalb von 24 Monaten den ganz großen Unterschied in Bezug auf die Lebensumstände dieser Streunerkatzen möglich machten.

Aber der Reihe nach.

Im September 2019 reiste ich zum ersten Mal in meinem Leben nach Kreta. Mein letzter Griechenland-Urlaub lag da auch schon knapp 30 Jahre zurück, so dass ich mir vor der Reise keine so großen Gedanken zum Thema Tierwohl auf dieser Insel gemacht hatte.

Doch schon am ersten Tag in Agios Pavlos sprang mich das Tierelend von allen Seiten an. Rund um das einzige Hotel vor Ort waren Katzen, Katzen, Katzen. Alle dünn und hungrig, mache offensichtlich krank oder sehr geschwächt. Das Schlimmste aber waren die ausgemergelten Katzenmütter, die irgendwie versuchten, ihre Babys durchzubringen. Ich zählte elf Katenzbabys, ungefähr ebenso viele Jungkatzen und einige, die vielleicht ein Jahr alt waren oder unwesentlich älter.

Auf dem Weg von meinem kleinen Apartment hinunter zum Strand kam ich jeden Tag an einem Kettenhund vorbei. Eine Seele von Hund. Dankbar für jede noch so kleine Aufmerksamkeit, aber scheu und unterwürfig und ebenso hungrig und dürr wie die Katzen am Hotel.

Ich war wie im Schockzustand. Das sollte der Ort sein, wo ich eine Woche Meditation und Yoga praktizieren wollte??

Noch vor Ort begann ich verschiedene Tierschutzorganisationen, die auf Kreta aktiv sind, abzutelefonieren und Mails zu schreiben. Nach einigen Misserfolgen erreichte ich Thomas Busch vom Förderverein Arche Noah e.V., der zudem auch den Tierärztepool vor vielen Jahren ins Leben gerufen hat. Er empfahl mir, den Kontakt zu Brigitte Scheichel von APAL zu suchen, da das „Bearbeitungsgebiet“ der Arche Noah auf Kreta eher die Gegend um Rethymno abdeckt und damit an der Nordküste der Insel liegt.

Große Hoffnung machte ich mir nicht mehr, nachdem ich schon so viele Telefonate geführt bzw. SMS und Mails geschrieben hatte, ohne auch nur einen Millimeter voran gekommen zu sein. Aber das tägliche Elend vor Ort in Agios Pavlos war mehr als ausreichend Motivation.

Zurück in Deutschland habe ich Brigitte Scheichel dann per Mail angeschrieben und ihr die Lage in Agios Pavlos geschildert. Am gleichen Tag kam eine ausführliche Antwort von ihr: Katzenfrau Gina sei kürzlich dort bereits vor Ort gewesen, um die Lage zu checken und eine Kastrationsaktion zu planen, sofern die Umstände es zulassen.

Die Umstände sind immer die gleichen, die von den Tierschützern zu bewältigen sind:

Geld? Zeit? Logistik?

Geld und Zeit sind immer viel zu knapp, und die Logistik auf Kreta ist stets eine Herausforderung. Luftlinie liegt Agios Pavlos ca. 20 km vom APAL-Standort auf Kreta entfernt. Die Fahrt dauert aber eine gute Stunde, weil Berge zu um kurven sind und die Straßen schon mal gerne an Off-Road Pisten erinnern.

Meine Hoffnungen wurden immer kleiner, dass es noch klappen könnte. Auch, weil sich meine Einschätzung zur Spendenbereitschaft von Teilnehmern des Yogakurses in Agios Pavlos als zu optimistisch herausgestellt hatte.

Also wieder: Geld? Zeit? Logistik?

Aber im Dezember 2019 war es soweit: die erste Kastrationsaktion in Agios Pavlos wurde durchgeführt! Das war eine tolle Nachricht, die da von Brigitte aus Kreta kam. Ich war so dankbar und glücklich, dass es tatsächlich Realität geworden war…

Zugleich hatte auch aus Hotel vor Ort sein Versprechen eingehalten, dass jemand über den Winter die Katzen füttern würde. In der Vergangenheit hatte die Mutter des Hotelbesitzers im Winter heimlich versucht, die Katzen etwas zu versorgen, musste sich aber meist dem Druck von Ehemann und Sohn fügen. Gut genährte Katzen vermehren sich natürlich noch stärker als Katzen, die täglich um Futter kämpfen müssen. So wurde halt bisher hingenommen, dass viele Katzen im Winter schlichtweg verhungerten oder an Infektionen starben, die ihr schwacher Körper nicht abwehren konnte.

Was für eine Veränderung in nur drei Monaten…

Allerdings konnte ich aus der Ferne in Deutschland ja nur darauf vertrauen, dass alles wie erhofft vor Ort läuft. Daher war schnell klar: wenn es die Umstände in der Pandemie irgendwie erlauben, bin ich im September 2020 wieder in Agios Pavlos.

So kam es dann auch: Yoga-Matte eingepackt, Bikini und weiteres leichtes Reisegepäck ab in den Rucksack. Die Situation der Katzen war nur 12 Monate nach meinem ersten Besuch in Agios Pavlos spürbar anders. Viele Katzen hatte das typische Erkennungsmerkmal für Kastration (eine kleine Ecke im Ohr) und alle waren in einem besseren Gesamtzustand. Keine Katzenbabys und damit auch keine ausgemergelten Katzenmütter.

Was für eine Veränderung in nur zwölf Monaten…

Es war aber nicht alles gut. Zwei Jungkatzen, ca. vier Monate alt und offensichtlich Geschwister, waren am Hotel. Sie waren die Jüngsten in der Gruppe, die ich täglich dort beobachten konnte. Sie waren nicht klapperdürr, aber beide hatten anscheinend Katzenschnupfen. Aber viel gravierender: eine der beiden Katzen hatte nur ein Vorderbeinchen. Sie war auf ihren drei Beinen sehr schnell unterwegs und hatte sich ja anscheinend bisher erfolgreich durchgekämpft trotz ihrer Behinderung.

Wenige Tage nach meiner Ankunft konnte ich mit dem Hotelmanager sprechen, der schon letztes Jahr sehr offen und kooperativ zum Thema Tierschutz gewesen ist. Kurzer Smalltalk, dann waren wir schnell bei dem Thema Katzen. Ich konnte merken, dass es auch ihm ein Anliegen war. Aber er traute sich offensichtlich nicht, nach weiterer Unterstützung durch APAL zu fragen. Also ging ich in die Offensive. In dem Wissen, dass das nach hinten losgehen kann. Ich bin schließlich nur eine Touristin aus einem der wohlhabendsten Länder der Erde. Niemand möchte die Welt von so einer Person erklärt bekommen. Würde ich auch nicht wollen. Aber ich fragte ihn ganz direkt, was mit den Katzengeschwistern in der Winterpause des Hotels geschehen wird. Er hatte sich diese Frage auch schon gestellt. Hatte aber keine Antwort. Wir verblieben, dass ich APAL frage, ob sie die zwei Kleinen aufnehmen. Und ob APAL eine weitere Kastrationsaktion in Agios Pavlos durchführen könnte.

Beides konnte möglich gemacht werden. Die beiden Katzen Libby und Lionel wurden mit Hilfe des Hotelmanagers Vangelis für den Transport zu APAL nach Plakias in zwei Gemüsekisten verpackt. Etwas Anderes war in der kurzen Zeit nicht aufzutreiben. Blutige Hände und in den Kisten tobende Mini-Katzen waren das sicht- und hörbare Ergebnis der Aktion. Noch während meiner Zeit vor Ort rauschte Brigitte mit Helferin am Samstagmorgen an, um weitere elf Katzen für die Kastration einzusammeln!

Der Kettenhund auf dem Weg von meinem Apartment zur Bucht war auch noch da. Sein Besitzer schaute mich immer böse an, wenn er mich dabei erwischte, dass ich seinen Hund streichelte oder gar Reste vom Abendessen heimlich zusteckte. Der Hund war noch dünner als im Vorjahr und hatte mehrere Wunden und offene Stellen. Er wurde vermutlich geschlagen. Vielleicht weil er zu lieb war und seiner Aufgabe als Wachhund nicht nachkam. Er freute sich noch immer über jede Aufmerksamkeit. Bevor ich abreiste, hängte ich an das Einfahrtstor vom Kettenhund-Grundstück ein Schild aus Pappe. Ich hatte dem Besitzer einen kurzen Brief im Namen seines Hundes geschrieben. „Ich bin ein Lebewesen mit Bedürfnissen. Ich bin Dein Freund, nicht Dein Feind. Ein wenig Futter regelmäßig, ein Dach über dem Kopf und vielleicht ein wenig Zuwendung. Das wäre mein größtes Glück.“ Das Ganze auf Englisch. Ich war nicht überzeugt, ob der Kettenhund-Besitzer überhaupt Englisch spricht.

Im September 2021 konnte ich wieder nach Agios Pavlos fahren. Die Situation der Katzen hatten sich nochmal verändert. Bis auf eine Katze waren alle kastriert. Keine Babys, keine Jungkatzen. Viele der Katzen kannte ich von meinen letzten Besuchen. Alle Katzen waren sehr entspannt, gut genährt und gesund! Jeden Vormittag wurden sie mit Fischresten aus der Hotelküche am kleinen Feld gegenüber gefüttert. Manche kamen sofort, wenn ich sie lockte und ließen sich begeistert schnurrend streicheln. Die gesamte Katzengruppe machte einen entspannten und gesunden Eindruck.

Was für eine Veränderung in nur 24 Monaten…

Für den Kettenhund konnte ich leider nichts tun. Er war dieses Jahr nicht mehr da. Dafür zwei neue Hunde an der Kette. Diesmal so weit weg vom Eingangstor, dass ich sie nur aus der Ferne sehen und hören konnte.

Es gibt noch so Vieles zu verändern.

Einen herzlichen Dank an Euch, dass ihr mit Eurem unglaublichen Einsatz die bisher erreichten Veränderungen möglich gemacht habt: Brigitte, Gina, Kathie, Dimitri, Vangelis, Nicoletta, Angelika, Thomas

Danke.

Katzenmama mit sterbenden Kitten

Katzenbaby mit sterbenden Geschwisterchen

Katzenmama mit Kitten am Strand

Kettenhund

Säugende Katze

Verletzte Katze

Die kleine Libby in der Gemüsekiste

Dreibeiniges Kitten

Eine der Katzenmamas

Entspanntere Katzen am Hotel (teilweise kastriert)

Gemüsekiste für den Katzentransport

Kastrierte Katzen am Hotel

Gesunde wohlgenährte Katzen

Zufriedene Fellnasen