Diese Geschichte ist eine kleine griechische Tragödie. Es zeigt womit wir als lokale Tierschützender, es zu tun haben. Die Achterbahn von Emotionen, der wir in unserer Arbeit die Stirn bieten müssen, und wo wir noch vernünftig und diplomatisch handeln sollen. Manchmal ist es echt ein Knochenjob!
Manchmal ist es ein Knochenjob
Irgendwo im Nirgendwo
Guy erfährt, dass irgendwo im Nirgendwo ein Rudel Hunde unter erbärmlichen Umständen sitzt. Er findet heraus wo es ist und spricht mit dem Eigentümer. Resultat: er darf ein paar Hunde mitnehmen, das sind Josephine und Maxine.
Beide sind sehr schüchtern, aber haben sich schnell mit uns angefreundet. Sie wurden gewaschen, gechipt, geimpft, kastriert, fotografiert und gingen Gassie mit uns …. und sind jetzt ausgeflogen, in ein besseres Leben.
Ungefähr eine Woche später durften die andere 4 kommen, eine Mutti mit 3 großen Töchtern.
Mutti, mit einem großen Geschwür am Bauch, ist freundlich und hat keine Angst vor uns. Ihre Töchter lassen sich nicht blicken. Sie verstecken sich im Hundehäuschen, drücken sich fest gegen die Wand, wollen am Leben da draußen nicht teilnehmen.
Auch diese 4 werden kastriert. Mutti braucht noch eine größere O.P. , sie hat Krebs.
Immer in Absprache, immer auf Messers Schneide
Alles muss in Absprache mit dem Eigentümer gehen, und er will noch nicht, warum auch immer, dass die ältere Hündin diese hoch nötige O.P. kriegt. Sie ist seine beste Jagdhündin und das Saison fängt bald an. Das sie so nicht arbeiten kann, ist uns allen klar.
Leider müssen wir solche Absprachen hinnehmen, sonst kommen wir gar nicht weiter. Manchmal muss man einen Hund „opfern“, um mehrere retten zu können. Unser Herz und Verstand sagen uns natürlich was ganz anderes…
Weil Mutti eine entzündete Gebärmutter hatte, muss sie noch eine Woche Antibiotika nehmen. Solange bleibt sie bei uns. Denn nur so können wir sicher sein, dass sie das Mittel auch bekommt!
Von ihren 3 Kindern dürfen wir 2 behalten, aber eins müssen wir zurückgeben. Sie soll zum Jagdhund ausgebildet werden! Keine Ahnung wie der Eigentümer sich das vorstellt, die arme Socke ist steif vor Angst, wenn ein Mensch nur in ihre Nähe kommt!
So haben wir jetzt einen Zwinger mit 4 Hunden, wo es so aussieht, als ob nur einer da ist.
Ich gehe dann mal „auf Besuch“ zu ihnen, muss eh Bilder machen. Weil sie sich alle nicht bewegen, geht das einfacher als sonst. Aber seht Euch die Bilder an: Angst pur!
Die eine folgt mir mit ihren Augen, dass sie bereit ist, wenn es heikel wird und flüchten kann. Die zweite versteckt ihren Kopf zwischen Pfote und Decke und ignoriert mich tapfer. Und Nummer drei guckt von mir weg: „wenn ich dich nicht sehe, bist du nicht da…“
Sozialisierung ist angesagt
Sozialisierung ist angesagt! So verbringe ich Zeit im Zwinger und rede ein bisschen vor mich hin, damit sie eine Stimme hören. Anfassen ist aber noch nicht möglich.
Ich lasse einen Waschlappen zurück, mit dem ich meinen Schweiß abgewischt hab, in der Hoffnung, dass sie den menschlichen Duft auf unbedrohliche Weise kennenlernen. Ob es wirklich funktioniert weiß ich nicht, aber man tut was man kann, vielleicht macht es ja „Klick“. Es ist hart, sich diese Angst anzusehen. Beim Bearbeiten der Bilder könnte ich weinen.
Ich darf ihnen Namen geben und finde, dass sie starke Namen verdienen. Die drei Angsthasen kriegen Namen von indianischen Völkern: Dakota, Lakota und Maidu.
Dakota und Lakota (vom Sioux Stamm), bedeutet „Freunde, Kumpels, die Verbundenen“. Und Maidu hat einen schönen Klang. Ich wünsche mir so, dass sie uns mit der Zeit als Freunde sehen und in der Lage sein werden, sich mit Menschen verbunden zu fühlen. Davon sind sie noch weit entfernt… Mutti nenne ich Izzie. Zu ihr passt eher ein gemütlicher Name.
Kaum hab ich Dakotas Bilder bearbeitet, höre ich am nächsten Tag auf der Arbeit, dass sie sofort zu ihrem Besitzer zurück muss! Ich versuche noch zu erreichen, dass sie wenigstens bleiben kann, bis ihre Mutti zurück muss, wenn sie mit der Antibiotika Kur fertig ist. Was soll sie da alleine, irgendwo im Nirgendwo?
Aber Guy hat es dem Eigentümer versprochen. Und wie länger sie bei uns sind, desto schwieriger es wird sie abzugeben, also packen Brigitte und ich sie in eine Box und fahren nach Nirgendwo. Das Gehege soll auch sauber gemacht werden….
Kein Ort zum Leben – und doch…
Was wir im Nirgendwo antreffen ist widerlich! Der Boden im Stall und draußen, ist alles komplett mit Fäkalien bedeckt. Hier ist Jahre nicht sauber gemacht worden!
Blöderweise hab ich vergessen meine Regenstiefel mitzubringen und an Handschuhen fehlt es uns auch! Mit Plastiktüten um unseren Händen und einen Eimer, füllen wir Sack um Sack, bis das meiste weg ist. Im Wassertrog, den wir ausschütten, ist ein 10cm Boden von schwarzem Schmodder.
Wir ersetzen den Trog durch ein sauberen Eimer mit frischem Wasser, das wir mitgebracht haben.
Während dieser ekelhaften Arbeit bin ich traurig und wütend. Ich bin mir sicher, dieser Eigentümer lacht sich tot, dass wir das hier tun, was er selbst nie für ein Tier machen würde.
Ich frage mich in solchen Situationen, ob wir Helfer oder Ausgebeutete sind? Diese hauchdünne Linie, auf der wir immer wandern …. aber was sollen wir tun, wenn uns das Wohlbefinden der Tiere so wichtig ist?
Jetzt kommt der härteste Teil unserer Aufgabe: Wir müssen Dakota in ihr altes Gehege zurückbringen. Mutterseelenallein wird sie da bleiben.
Dort angekommen entspannt sie sich ein wenig. Es ist das erste Mal, dass ich Dakota stehen und laufen sehe. Zurück am einzigen Ort, den sie in ihrem Leben gekannt hat, ebenso traurig wie vertraut. Im weiteren Sinn eine Form von Stockholm-Syndrom. Leider wahr.
Es bricht uns das Herz, aber wir vermuten, dass ihre Jagdkarriere nicht so erfolgreich sein wird und wir sie wieder zurück bekommen.
Während sie in der Sonne sitzt, verabschiede ich mich und sage ihr, sie soll ihren Namen nicht vergessen. Sie ist Dakota, ein „indian warrior“, stark und mutig!
Wie gesagt bedeutet ihr Name „Freund, Verbündeter… „ In uns hat sie Freunde gefunden – und wir fühlen uns mit ihr verbunden.
Ich verspreche ihr, dass wir sie nicht vergessen werden – wir werden uns wiedersehen!
Mittlerweile ist auch Izzie wieder nach Nirgendwo zurück gebracht worden. Ihre Antibiotika Kur ist abgeschlossen.
Wir können nur hoffen, dass der Eigentümer sein Versprechen hält und sie uns nochmals überlässt, damit sie die dringend notwendige O.P. bekommt!
Noch zwei Seelen
Lakota und Maidu sind noch bei uns. Jeden Tag setze ich mich in den Zwinger und versuche, sie aus ihrer Apathie zu locken. Es geht nicht wirklich voran. Es braucht Zeit, aber die zwei halten einander fest – in einer, sagen wir mal, ungesunden Symbiose.
Was wir eigentlich brauchen, sind ein paar Hunde mit „normalem“ Verhalten Menschen gegenüber.
Dann können wir Lakota & Maidu von einander trennen, jede mit einem „normalen“ ausgeglichenen Hund zusammenbringen, um diesen blöden Kreise zu durchbrechen.
Unser „Hotel“ ist sonst immer bis unters Dach ausgebucht, aber jetzt gibt es nur Hunde, die in ein oder zwei Tagen ausfliegen. Da können wir nichts riskieren.
Von unseren Dauergästen ist leider eine nicht für diesen Job geeignet und der andere „besetzt“ durch den „im Moment“ letzten Hund der am Wochenende ausfliegt…
Ich kann nur hoffen, dass bald ein paar fröhliche, verspielte Hundekinder zu uns kommen, die unseren Mädeln den Weg in ein schönes, sorgenfreies Leben zeigen!
Schlechte Nachrichten
Und wieder bekommen wir schlechte Nachrichten:
Der Besitzer hat Guy angerufen und ihn gefragt ob er Dakota wieder mitgenommen hätte. Sie wäre nicht mehr im Gehege!
Vier Tagen vorher, als Guy Izzie zurückgebracht hatte, war Dakota noch da. Von unserer Seite würden die Versprechen absolut eingehalten!
Warum sollte sie abhauen? Wenn sie da alleine wäre vielleicht, aber in Gesellschaft einem vertrautem Hund, ihrer Mutti???
Wir haben so unsere Zweifel.
Wir vermuten, dass ihre „Jagdausbildung“ angefangen hat und sie ihrem Besitzer davon gelaufen ist. Das würde uns nicht wundern, genau das hatten wir ja befürchtet!
Jetzt läuft eine ängstliche Hündin, die ihr ganzes Leben (außer diese Woche bei uns) nur die 12m² ihres Geheges kennt, in einer ihr unbekannten Gegend…
Wir können nur hoffen!
Diese Geschichte, unsere Realität, die uns den Schlaf raubt und mit unseren Nerven spielt, ist noch nicht fertig.
Wir werden alles einsetzen, um ein Happy End zu bewirken.